MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus

MRFHMarburger Repertorium zur
Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus

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Eberhard I. von Württemberg (im Barte)

Dedikationen

Augustin Tünger: Fazetien
Michael Christan: Epistola ad Mahumetem
Niklas von Wyle: 11. Translation: Giovanni Francesco Poggio Bracciolini an Leonardo Bruni: Über die Verbrennung des Hieronymus von Prag
Niklas von Wyle: 13. Translation: Lukians Esel (Giovanni Francesco Poggio Bracciolini: Asinus)
Niklas von Wyle: 14. Translation: Über den wahren Adel (Buonaccorso da Montemagno: De nobilitate): siehe Gesamttranslatzen
Heinrich Österreicher: Über die Landwirtschaft
Johann Reuchlin: Olynthische Rede I
Johann Reuchlin: Lukians 12. Totengespräch

Leben

Kaiser Maximilian I. lobte in seinem Nachruf auf Eberhard d. Ä. von Württemberg: "Hier liegt ein Fürst, dem an Weisheit und Tugend keiner mehr im Römischen Reich gleichkommt." Graf Eberhard im Bart, 1495 in den Herzogsstand erhoben (*11. Dezember 1445, † 25. Februar 1496), war der dritte Sohn aus der Ehe von Graf Ludwig I. von Württemberg und der Pfalzgräfin Mechthild (Mechthild von der Pfalz).

Zunächst war sein älterer Bruder Ludwig II. für die Nachfolge im Regierungsamt ausersehen gewesen, doch dessen Tod schob Eberhard in den Vordergrund. Als Eberhard fünf Jahre alt war, starb unerwartet der Vater. Um die Vormundschaft stritten sich zwei Lager: Der Bruder von Eberhards Vater, Ulrich V. von Württemberg in Stuttgart, und der Bruder seiner Mutter, Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz.

Ulrich, der sich die Erziehung des jungen Grafen angelegen sein ließ, gab ihm den berühmten Johann Wergenhans (Naukler) als Erzieher zur Seite (dieser wurde später der erste Rektor der 1477 von Eberhard gegründeten Universität Tübingen). Im Alter von 14 Jahren konnte sich Eberhard mit pfälzischer Unterstützung von der Vormundschaft befreien und trat 1459 die Regierung des südlichen Landesteils mit der Hauptstadt Urach an.

Der erste tiefe Einschnitt in Eberhards Leben wurde seine Heiliglandfahrt, die er 1468 mit großem Gefolge unternahm. Seit dieser Zeit führte er den Wahlspruch ATTEMPTO (Ich wag's) und die Palme, Erinnerung an die ferne Welt des Vorderen Orients.

Das Jahr 1474 brachte eine entscheidende Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse. Eberhard heiratete endlich, nachdem sich drei frühere Heiratsprojekte zerschlagen hatten. Die Wahl fiel auf Barbara Gonzaga aus Mantua. Durch Eberhards Heirat mit der Gonzaga-Tochter kam Württemberg in Berührung mit einem der glänzendsten Zentren der italienischen Renaissance-Kultur. Aus dieser Vorliebe für Italien mag auch das Interesse am Frühhumanismus herrühren, das Eberhard an den Tag legte.

Er, dem auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters eine lateinische Bildung untersagt und somit der eigene Zugang zu den litterae verwehrt blieb, wird ab den 70er Jahren zum wichtigsten Auftraggeber und Mäzen humanistischer Übersetzungen. Sowohl seine umfangreiche Übersetzungsbibliothek, über die wir durch die Totenrede Konrad Summenharts unterrichtet sind, als auch Wimpfelings Laudatio anläßlich Eberhards Erhebung in den Herzogsstand 1495 liefern ein beredtes Zeugnis für Eberhards Interesse an humanistischen Studien. Franz Josef Worstbrock (Einbürgerung antiker Autoren, S. 53) urteilt: "Für Eberhard ist mehr übersetzt worden, als für irgendeinen anderen seiner fürstlichen Zeitgenossen."

Verglichen mit den literarischen Neigungen seiner Mutter ist Eberhards vielseitiges Interesse an humanistischer und antiker Literatur bemerkenswert. So wurden für ihn Sallust, Livius, Flavius Josephus, Ovid, Euklid und Columella übersetzt, Reuchlin übertrug aus dem Griechischen Demosthenes und Lukian für ihn. Auch die 'Römische Historie', die Eberhards Rat Bernhard Schöfferlin im wesentlichen nach Titus Livius konzipierte, jedoch zu Lebzeiten des Herzogs nicht mehr vollenden konnte, dürfte ursprünglich für ihn bestimmt gewesen sein.

Von den Werken des italienischen Humanismus scheint Eberhard die politischen und programmatischen Schriften ebenso geschätzt zu haben wie die sinnenfrohen Werke, um nur Poggios 'Facetien' zu nennen, die Augustin Tünger 1486 für ihn übersetzte. Bereits in den 'Translatzen', die Niklas von Wyle an Eberhard richtete, deutete sich dieses neue Themenspektrum an. Die 11. Translatze enthält Poggios Brief an Leonardo Bruni über den Prozeß gegen Hieronymus von Prag, die 14. Translatze die Schrift 'De nobilitate' nach der Vorlage des Buonaccorso da Montemagno. Mit der 13. Translatze ist in Wyles Werk auch die Antike durch Lukians 'Asinus', freilich in der lateinischen Bearbeitung Poggios, vertreten. Die Übersetzung reiht sich nahtlos in das literarische Programm anderer Auftragsarbeiten für den Markgrafen ein, wie die Lukian-Übertragung Reuchlins und Tüngers 'Facetien' zeigen.

Eberhards literarisches Interesse wird zudem dadurch bezeugt, dass er auch regen Anteil an der neuen Kunst des Buchdrucks nahm. So war vermutlich er es, der Konrad Fyner 1478 veranlasste, nach Urach umzusiedeln, um hier quasi die Stellung eines Hofdruckers einzunehmen.

Gekürzte Bearbeitung aus:
Württemberg im Spätmittelalter. Katalog bearb. von J. Fischer, P. Amelung u. W. Irtenkauf, Stuttgart 1985, S. 11f.
Bertelsmeier-Kierst, C.: 'Griseldis' in Deutschland. Studien zu Steinhöwel und Arigo (GRM-Beiheft 8). Heidelberg 1988, S. 28f.

Verf.: cbk.

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Literatur:

Cermann, R.: Die Bibliothek Herzog Eberhards im Bart von Württemberg (1445-1496). In: Scriptorium 51 (1997), S. 30-50.
Faix, G.: Eberhard im Bart. Der erste Herzog von Württemberg. Hg. vom Würtembergischen Landesmuseum Stuttgart. Stuttgart 1990.
Württemberg im Spätmittelalter. Katalog bearb. von J. Fischer, P. Amelung u. W. Irtenkauf, Stuttgart 1985, S. 11-31, 129-143.
Heinzer, F.: Heinrich von Württemberg und Eberhard im Bart: Zwei Fürsten im Spiegel ihrer Bücher. In: Rückert, P. (Hg.): Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert. Beiträge einer Vortragsreihe des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg 167). Stuttgart 2006, S. 149-163 (online).
Honemann, V.: Literatur im Umfeld Eberhards im Bart: Antonius Pforr und Augustin Tünger. In: Rückert, P. (Hg.): Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert. Vorträge des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte. Stuttgart 2006, S. 165-176.
Maurer, H.-M. (Hg.): Eberhard und Mechthild. Untersuchungen zu Politik und Kultur im ausgehenden Mittelalter (Lebendige Vergangenheit 17). Stuttgart 1994.
Mertens, D.: Eberhard im Bart als politische Leitfigur im frühneuzeitlichen Herzogtum Württemberg. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 59 (2000), S. 43–56.
Mertens, D.: Eberhard im Bart und der Humanismus. In: Maurer, H.-M. (Hg.): Eberhard und Mechthild. Untersuchungen zu Politik und Kultur im ausgehenden Mittelalter (Lebendige Vergangenheit 17). Stuttgart 1994, S. 35-81.
Mertens, D.: Reuchlins Landesherr Eberhard im Bart. Variationen zum Thema 'Politik und Humanismus'. In: Rhein, S. (Hg.): Reuchlin und die politischen Kräfte seiner Zeit. Sigmaringen 1998, S. 225-249 (online).
Molitor, S.: 1495: Württemberg wird Herzogtum. Dokumente aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu einem epochalen Ereignis. Mit Beiträgen von K. Graf u. P. Schön. Stuttgart 1995 (online).
Schuler, P. J.: Eberhard V. im Bart. In: LexMA 3 (1986), Sp. 1517f.
Terrahe, T.: Heinrich Steinhöwels 'Apollonius'. Edition und Studien (Frühe Neuzeit 179). Berlin / Boston 2013.
Worstbrock, F. J.: Zur Einbürgerung der Übersetzung antiker Autoren im deutschen Humanismus. In: ZfdA 99 (1970), S. 45-81.

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Stifterscheibe im Chor der Tübinger Stiftskirche [nach 1478]
Quelle: Hess, D.: Das Gothaer Liebespaar. Ein ungleiches Paar im Gewand höfischer Minne. Frankfurt am Main 1996, S. 51, Abb. 29.

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Marsilio Ficino: De comparatione solis ad deum (Stuttgart, LB, HB XV 65, fol. 7r))
Quelle: Württemberg im Spätmittelalter. Katalog bearb. von J. Fischer, P. Amelung u. W. Irtenkauf, Stuttgart 1985, S. 132, Abb. 45.

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Gräfliches Wappen Eberhards V. von Württemberg (Aquarell, 1552)
Quelle: Faix, G.: Eberhard im Bart. Der erste Herzog von Württemberg. Hg. vom Würtembergischen Landesmuseum Stuttgart. Stuttgart 1990, S. 26.

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Stuttgart, WLB, Cod. brev. 1. Persönliches Gebetbuch Eberhards (1492-1496), Quelle: Faix, G.: Eberhart im Barte. Der erste Herzog von Württemberg. Hrsg. vom Württem. Landesmuseum Stuttgart. Stuttgart 1990, Nr. 20.

Version vom 16. 08. 2015 (MRFH). Permanent Link: mrfh.de/0400.