MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus

MRFHMarburger Repertorium zur
Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus

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Johannes Zentgraf

Eine im Kontext des Leipziger Universitätsbetriebs entstandene Handschrift trägt folgende Schreibervermerke: [...] scriptum per me, Johannem Zencgreff, anno domini 1493 (Bl. 251r); Finis huius per me J.Z. anno domini 1497 (Bl. 262v). Der Student Johannes Zentgraf hat die Handschrift offenbar für seinen eigenen Gebrauch angefertigt, wie sein Namenseintrag auf dem Vorsatzblatt (Bl. Ir) bezeugt. Der überwiegend lateinisch abgefasste Codex enthält Texte antiker und italienischer Autoren, u.a. Boethius' 'De disciplina scolarium', Leonardo Brunis Übertragung von Basilieus' 'Ad adolescentes', das 'Carmen de fortuna' des Philippus Beroaldus sowie Ovid, Vergil und Seneca zugeschriebene Werke. An Vertretern des deutschen Frühhumanismus bietet der Codex Abschriften und Kommentare von Samuel Karoch von Lichtenberg, Sebastian Brant und Conrad Celtis. Den lateinischen Texten sind in der Regel Rand- oder Interlinearglossen und teilweise auch die deutschen Übersetzungen beigegeben, so u.a. Karochs 'Barbaralexis', Brants Übertragung der 'Thesmophagia' ('Fagifacetus') Reiners d. Dt. (Reinerus Alemannus) und der deutschen Fassung des Ps.-Seneca-Textes 'De quattuor virtutibus cardinalibus'.

In den Leipziger Matrikeln sind zwei Studenten mit dem Namen Johannes Zentgraf in den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts nachgewiesen: WS 1495 Joannes de Centgrave de Konigßhoff (Erler, Bd. I, S. 411) und WS 1497 Ioannes Zcengkraf de Nova civitate (ebd. S. 421). Zeitlich und aufgrund der ostfrk. Schreibsprache der deutschen Teile der Handschrift dürfte der Schreiber der Gothaer Handschrift eher mit dem Johannes Zentgraf aus Königshofen identisch sein, der im Sommersemester 1497 sein Baccalaureus erwirbt (ebd., Bd. II, S. 357). Königshofen gehörte zur Herrschaft Baunach im Ritterkreis Franken. Diese Herrschaft hatten im 13. Jh. die Andechs-Meranier inne, bevor sie durch Heirat 1248 an die Grafen von Truhendingen gelangte. Durch Kauf kam sie dann an das Bistum Bamberg (vgl. Köbler, S. 47 u. 344). Im Zusammmenhang mit der Magdalenenkapelle in Baunach wird 1401 urkundlich ein Johannes zentgreff [...], Castellanus in Stuffenberg (Lehenbuch Nr. 1, f 29, Staatsarchiv Bamberg) erwähnt. Der Leipziger Student dürfte demnach ein Nachkomme dieses Burgvogts in Baunach gewesen sein. Sein Vater ist vielleicht identisch mit jenem Johannes Zentgraf, der aufgrund von Rechtstreitigkeiten 1473 um den Zehnten zu Oberpleichfeld vor dem Reichskammergericht Friedrichs III. klagt.

Verf.: cbk.

Schreiber und Besitzer von Handschriften:

Literatur:

Erler, G. (Hg.): Die Matrikel der Universität Leipzig. Bd. 1: Die Immatrikulationen von 1409-1559 (Codex diplomaticus Saxoniae regiae 16). Leipzig 1895.
Erler, G. (Hg.): Die Matrikel der Universität Leipzig. Bd. 2. Die Promotionen von 1409-1559 (Codex diplomaticus Saxoniae regiae 17), Leipzig 1897.
Henkel, N.: Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte. Ihre Verbreitung und Funktion im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Mit einem Verzeichnis der Texte (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 90). München [u.a.] 1988, S. 166-170.
Köbler, G.: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. vollst. überarb. Auf. München 2007, insbes. S. 47 u. S. 344.
Russ, H.: St. Oswald Baunach, 1984, S. 35 (online).
Sankt Oswald Baunach. 2., bearbeitete u. erweiterte Auflage (online).
Universität Köln: Virtuelles Archiv. Urkunde vom 3. Mai 1473 (online).
Wunderle, E.: Die mittelalterlichen Handschriften der Studienbibliothek Dillingen. Wiesbaden 2006, S. 450-466.

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Leipziger Studienhandschrift von Johannes Zentgraf: Gotha, Forschungsbibliothek, Cod. Gymn. 1, Bl. 284r. Quelle: Henkel, N.: Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte. Ihre Verbreitung und Funktion im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Mit einem Verzeichnis der Texte (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 90). München [u.a.] 1988, Abb. S. 168.

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